Deutsche Arbeitgeber sind gewohnt Osteuropa als Niedriglohnregion anzusehen, aus welchem man kostengünstige Arbeitskräfte für den deutschen Arbeitsmarkt bekommen kann.
Wie sieht das Lohngefälle heutzutage asu?
Am Beispiel Polens lassen sich folgende Zahlen zusammenstellen.
[Stand 01.07.2024] [ 1 EUR = 4,2981 PLN]
Der Mindestlohn pro Stunde beträgt in Polen 28,10 PLN brutto. Das entspricht 6,54 EUR
Land | Polen | Deutschland | % PL/DE |
Mindestlohn / Monat (164 Std.) | 1.072 EUR | 2.035 EUR | 52 % |
Mindestlohn / Stunde | 6,54 EUR | 12,41 EUR | 52% |
Durchschnittslohn / Jahr | 22.739 EUR | 50.250 EUR | 45% |
Durchschnittslohn / Monat (164 Std.) | 1.895 EUR | 4.187 EUR | 45% |
Steuerfreibetrag / Jahr | 6.979 EUR | 11.784 EUR | 59% |
Anhand dieser Zahlen entsteht der Eindruck, dass die Arbeitnehmer in Deutschland etwa doppelt so viel wie in Polen verdienen kann. Das ist der Grund, warum Deutschland immer noch als attraktives Land für Arbeitnehmermigration gilt.
Wenn es aber um die Kaufkraft geht, dann ist der Unterschied nicht mehr so deutlich.
Im Falle Polens liegt die Kaufkraft der Bevölkerung auf dem Niveau von 80 % des EU-Durchschnitts, während in Deutschland es 115 % sind. Das bedeutet, dass das Leben in Polen um ca. 35% billiger als in Deutschland ist. Laut mancher Recherchen sollen das sogar 44% sein (https://www.lingidoo.de/auswandern-polen/).
Aus diesem Gründen zeigen sich heutzutage die Arbeitnehmer aus Polen relativ häufiger bereit für einen besseren Verdienst nach Deutschland zu gehen, als für ein besseres Leben.
Dieser Zustand führt zu spezifischen Verhaltensweisen. Die Arbeitnehmer betrachten Arbeitsmigration nach Deutschland als eine vorübergehende Situation (obwohl diese oft über Jahre andauert) und legen keinen großen Wert auf die Notwendigkeit des Spracherwerbs und der Integration. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen bleibt in Polen.
Dies steht weitgehend im Widerspruch zu den Erwartungen deutscher Arbeitgeber, die häufig davon überzeugt sind, dass die wichtigste Motivation des polnischen Arbeitnehmers darin besteht, sich dauerhaft in Deutschland niederzulassen. Diese Option wird aber vom Arbeitnehmer, wenn überhaupt, nur in entfernter Perspektive in Betracht genommen.
Aus diesem Zustand sind wichtige Schlüsse zu ziehen:
Bei Mindestlohnjobs ist es schwierig Personal zu besorgen, wenn keine kostenlose Unterkunft gestellt wird. Sollte der Arbeitnehmer die Wohnung selber bezahlen um in Deutschland Mindestlohn zu beziehen, dann würde ihm nach Abzug der Kosten für Wohnung in Deutschland und Heimfahrten unter Berücksichtigung der Kaufkraft nicht mehr Geld zur Verfügung stehen, als er als auch in seinem Wohnort in Polen als Mindestlohnempfänger verdienen kann.
Bei Fachkräften ist es leider die Erwartung auf Deutschkenntnisse abzusenken. Englisch als Fremdsprache wird in Polen 5 mal häufiger gelernt, als Deutsch. Die Arbeitnehmer erwarten, dass sie in Deutschland auf Englisch kommunizieren können, so wie das z.B. in den Niederlanden oder Skandinavien funktioniert. Sie sind nicht bereit besonders am Anfang viel Zeit und Arbeit in Deutschlernen zu investieren. Der deutsche Arbeitgeber muß überlegen, ob er sich aus diesem Grund leisten kann qualifizierte Fachkräfte abzuweisen und wessen Problem es ist, dass die Kommunikation auf Englisch in seinem Betrieb nicht möglich ist.